Minus 10.000 / Steinzeit

Leben wie die ersten Siedler in dieser Gegend: Steine behauen, Feuer machen ohne Streichhölzer, Schießen mit Pfeil und Bogen. Nur für Gruppen.
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Dieser Bereich ist Kindergeburtstagen, Gruppen und Klassen vorbehalten wegen seiner empfindlichen und auch gefährlichen Werkzeuge und Ausstattungsgegenstände. Auf Nachfrage dürfen freie Besucher einen Blick hineinwerfen in den Raum, wo Steine behauen werden, ein Zelt aus Fellen steht, genäht mit einer Knochennadel mit Tiersehnen, Pfeilspitzen zu bewundern sind, die im Osdorfer Born gefunden wurden.

Die Gruppen lernen Feuermachen wie vor 10.000 Jahren, erfinden ein Clan-Zeichen aus Rötel, schnitzen oder üben Feuersteine zu behauen, schießen mit Pfeil und Bogen, erhalten einen Einblick in die damalige Kultur. Ferienkinder bauen sich selber Pfeile und schlagen Steinspitzen, suchen Tierspuren in der angrenzenden Feldmark, sammeln Kräuter, lernen Trommeln und Tänze, Holzkohlenherstellung, Pechschnüre wickeln und Höhlenzeichnungen, essen Stockfisch und Trockenfrüchte. Die Themen sind so umfangreich und komplex wie das Leben unserer Vorfahren.

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Minus 10.000 – die Steinzeit erleben
erzählt von Ingo Wolfermann, Übungsleiter im KL!CK

Mit Kindern von 7 bis 12 Jahren in unserer Steinzeitausstellung, auf dem Außengelände oder auch im Naturschutzgebiet, das nur wenige Minuten Fußmarsch erfordert, zu philosophieren, zu diskutieren und mit ihnen zu arbeiten ist für mich persönlich das Highlight in meiner täglichen Arbeit hier im Kindermuseum. Die Archäologie, speziell die experimentelle Seite dieser Wissenschaft gehörte bereits im Studium zu meinen bevorzugten Fächern und es ist immer ein Vergnügen diese Vorliebe mit den Kindern gemeinsam auszuleben und zu teilen.

Wir schießen mit Pfeil und Bogen, machen Feuer mit Zunderschwamm, Distelwolle und Pyrit, wir bearbeiten Leder und Feuerstein und sprechen über das Leben in Norddeutschland während der ausgehenden Eiszeit, wir schweifen ab und verhandeln Themen wie Evolution, Katastrophen-Theorien, die allseits beliebten Dinosaurier, die Jagd, über „Schöner wohnen in kalten, dunklen und meist feuchten Höhlen“. All das bereitet mir, den Kindern und allermeist auch den begleitenden Lehrern und Erziehern eine Menge Spaß.

Immer wieder staunen die Kinder über die Tatsache, das noch vor gar nicht langer Zeit Mammuts und Wollnashörner durch den Osdorfer Born streiften, riesige Rentierherden an Furten die Elbe durchquerten und Jäger und Sammler, in Rentierfelle gehüllt, diesen nachstellten und von Zeit zu Zeit ihre Speerspitzen, Flintäxte und Feuersteinabschläge verloren, auf das wir heute sie finden können und die Kinder sie voller Ehrfurcht anfassen und herumreichen können.

Ein weiterer Aha-Effekt für viele Kinder stellt sich ein, wenn sie bemerken das die Felle auf denen sie vor mir sitzen, von einstmals lebenden Tieren stammen, das die Unterseite aus Leder ist, das gleiche Material aus dem ihre Schuhe, Gürtel, Portemonnaies etc. hergestellt sind. Das ein Teil der Menschheit sich heute ebenso bemalt wie die Rentierjäger es taten, denn was ist Schminken heutzutage schon anderes, als sich vor 10.000 Jahren mit Rötel das Gesicht zu bemalen? So weit entfernt den Kindern diese Zeiten auch erscheinen mag, wir sind immer noch sehr nah an diesen Menschen. All diese Erfahrungen in zwei Stunden zu destillieren ist eine echte Aufgabe.

Zur richtigen Entfaltung kommt all dies in der zweiwöchigen, ganztägigen, Steinzeit-Ferienbetreuung, eine Herausforderung und gleichzeitig enorme Bereicherung für jeden von uns. Spätestens am Ende des ersten Tages haben sich Clan-Strukturen in der Gruppe von 12-14 Kindern gebildet, die Gesichter von Asche verschmiert, einige tragen Pflaster an den Fingern, da sie die Schärfe von Feuerstein unterschätzt haben, alle sind verräuchert und erschöpft und meist sehr zufrieden. Es entstehen Freundschaften, wir wandern durch Wälder, schleichen im Gras, stehen bis zu den Knien im Bach, versuchen Fische zu fangen (und schaffen es nie), es wird geschnitzt und Rollenspiele entstehen. Es gibt nach zwei Tagen bereits Schamanen, Krieger, ein oder zwei eingebildete Anführer und sonnig konzentriert arbeitende Pfeilbauer, Bogenschnitzer, Angelruten-Bastler, Muschelkettenhersteller, Lederbeutelnäher und vieles mehr. Ich will nicht verhehlen, dass es außerordentlich anstrengend ist, man muss seine Augen überall haben, beständig daran arbeiten, dass alle Kinder mitgenommen werden auf diese Reise und niemand zurückbleibt. Es ist ein stetiges Erklären, Beraten, Trösten, Streitschlichten und manches Mal bin ich Abends vollkommen erschlagen, aber eben auch sehr zufrieden und glücklich, solche Tage erleben und gestalten zu können.